Jette Joop und das Küstendirndl – eine neue Tracht für Mecklenburg-Vorpommern

Bayern hat das Dirndl und die Lederhose, doch was hat Mecklenburg-Vorpommern? Nichts dergleichen. Das soll sich nun ändern und Jette Joop dabei helfen: als Jury-Vorsitzende im Ideen-Wettbewerb „Trachten neu erleben“, zu dem der Landestourismusverband, der Heimatverband sowie das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommerns Ende letzten Jahres aufriefen. Gesucht wird eine Art „Küstendirndl“. Wir fragten Jette Joop, wie so etwas aussehen könnte.

 

zweiküsten: Frau Joop, als Mod­edesigner­in sind für gewöhn­lich Sie diejenige, die Entwürfe vor­legt. Wie ist es, plöt­zlich auf der anderen Seite zu stehen?

Jette Joop: Das ist tat­säch­lich mal etwas ganz anderes und sehr span­nend. Aber ich kon­nte meine Erfahrun­gen als Designer­in dur­chaus ein­brin­gen. So gab es zum Beispiel mit den drei Final­istin­nen des Wet­tbe­werbs einen Work­shop in meinem Ate­lier in Ham­burg, bevor wir in der Jury den Gewin­ner­en­twurf prämierten. Aber natür­lich fragt man sich zwis­chen­durch schon mal: Wie hätte ich es eigentlich gemacht?

Und wie hät­ten Sie es gemacht?

Garantiert ganz anders als die Designer­in­nen, die wir dann prämierten. Ich weiß nicht, ob ich so frech gewe­sen wäre. Mein Entwurf wäre wahrschein­lich nicht ganz so wild gewor­den. Aber ich finde den Weg, den Ver­usch­ka Götz und Daniela Zie­gan vom Büro T616 eingeschla­gen haben, dur­chaus richtig und werde ihn in den näch­sten Monat­en auch noch weit­er begleiten.

Preisverleihung zum Ideenwettbewerb „Trachten neu erleben“ Bernd Fischer, Geschäftsführer des Tourismusverbandes MV, Preisträgerin Prof. Veruschka Götz, Designerin Jette Joop Birgit Hesse

Gewin­ner­in Prof. Ver­usch­ka Götz (zweite von links) mit Jette Joop, den Mod­els und MV-Touris­musver­band­schef Bernd Fis­ch­er (links) und Kul­tur­min­is­terin Bir­git Hesse (rechts).  Foto: TMV/Gohlke

Die Gewin­ner­in­nen sind keine aus­ge­bilde­ten Modedesigner…

Ja, sie sind Kom­mu­nika­tions­de­sign­er und aus dieser Per­spek­tive an das Pro­jekt herange­gan­gen. Sie haben mehr über Logo und Grafik gear­beit­et, als vom Tragekom­fort oder ähn­lichem auszuge­hen, wie es jemand getan hätte, der Mod­edesign studiert hat. Aber das ist ein ganz ander­er, frisch­er Ansatz, der mir sehr imponierte.

Warum braucht Meck­len­burg-Vor­pom­mern eigentlich eine neue Tra­cht?

Die Region hat zwar eine Tra­di­tion, aber die ist nicht ganz so offen­siv und sicht­bar wie beispiel­sweise das Dirndl in Bay­ern. Sie ist ein biss­chen fein­er, um es mal so auszu­drück­en. Mit dem Wet­tbe­werb woll­ten wir etwas find­en, was zu der Region, dem Land, passt und Ver­bun­den­heit schafft, dabei aber auch mod­ern ist. „Tra­cht­en neu erleben“, so der Titel des Wettbewerbs.

Wenn man sich an der Küste umschaut, kön­nte man meinen, es gäbe schon längst eine mod­erne Tra­cht: Anker prangen auf Taschen und Tüch­ern, blaue Streifen auf weißen Shirts. Und dann gibt es noch die gelbe Wet­ter­jacke und die Gummistiefel…

Ja, aber das find­et man im ganzen Nor­den. Es galt etwas zu find­en, das typ­isch ist für Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Die Designer­in­nen haben sich dazu viele Gedanken gemacht und tief in Archiv­en gewühlt. Es war inter­es­sant, was sie dabei ent­deck­ten – spezielle Strick­tech­niken und App­lika­tio­nen zum Beispiel, oder Sym­bo­l­iken wie den Sand­dorn. Am Ende ist ihr Entwurf eine Inter­pre­ta­tion der Lan­des­far­ben Meck­len­burg-Vor­pom­merns und des Greif und des Bullen, der Wap­pen­tiere des Lan­des. „Nor­doster“ haben sie ihre Kollek­tion genannt.

Die Tra­cht soll unter anderem in Hotels zum Ein­satz kom­men. Ist sie dafür nicht ein biss­chen zu extravagant?

Natür­lich wer­den die Sachen so, wie es jet­zt ausse­hen, nicht in Pro­duk­tion gehen. Die Entwürfe sind am Anfang immer etwas über­höht und polar­isieren, das gehört dazu. Im Laufe der Entwick­lung wer­den sie etwas herun­terge­brochen und all­t­agstauglich­er. Mein Team und ich wer­den die Kollek­tion weit­er begleit­en. Am Ende wird bes­timmt eine tolle Tra­cht draus.

Nordoster. Gewinnertracht „Nordoster“ aus dem Ideenwettbewerb „Trachten neu erleben“

Nor­doster – Siegeren­twurf aus dem Ideen­wet­tbe­werb „Tra­cht­en neu erleben“. Foto: TMV/Gohlke

Was wird vom Frechen bleiben, was wird verschwinden?

Die Grün­töne wer­den sich­er etwas reduziert, hier und da sollte ein biss­chen Auss­chnitt kom­men… Die näch­sten Monate wer­den wir an den einzel­nen Kollek­tion­steilen arbeit­en, so dass wir im Herb­st vielle­icht in Pro­duk­tion gehen können.

Wer­den die Kollek­tion­steile auch für Touris­ten interessant?

Ich kann mir gut vorstellen, dass einzelne Acces­soires wie ein Tuch oder eine Tasche sich gut verkaufen werden.

Sie wohnen in Ham­burg, welche Verbindung haben Sie per­sön­lich zu Mecklenburg-Vorpommern?

Ich bin in Pots­dam aufgewach­sen, von dort ist man schnell an der Küste. Es gibt in Meck­len­burg-Vor­pom­mern schöne Urlaub­splätze, die auch immer toller wer­den. Pri­vat bin ich sehr gern in Küh­lungs­born. Und ich mag die Men­schen. Die sind zwar typ­isch nord­deutsch, aber irgend­wie auch ein biss­chen weich­er als im West­en. Das sollte die Tra­cht auch wider­spiegeln, sie sollte einen gewis­sen Humor haben.

Das hat sie auf jeden Fall.

Und nicht nur das: Ich fand die Entwürfe so cool, ich würde die sofort anziehen.

Inter­view: jes.

Jette Joop Designerin

Jette Joop. Cred­it: JETTE GmbH

Der Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift Dünen­zeit.

 

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