Sie war Direktorin des kleinsten Zoos der DDR und führt heute mit ihrem Mann eine der schönsten Pensionen in Heringsdorf. Wir sprachen mit Christine Zimpel über unerwartete Lottogewinne, überraschende Entdeckungen beim Umbau und Hausbesitzer, die in ihrer Villa nicht wohnen durften. Ein Protokoll.

 

„Am Anfang stand das Rot. Der Ein­gangs­bere­ich musste rot wer­den, so viel stand für mich fest. Mein Mann war skep­tisch. Dann müssten wir aber für den näch­sten Raum eine stille Farbe wählen, meinte er. Wir einigten uns auf grün. Später kamen wir noch auf Blau, für den anderen Raum. Als wir die drei Far­ben hat­ten, fin­gen wir an, zu sanieren. Wir ris­sen Löch­er ein und Tape­ten ab.

ursprüngliche Wandbemalung in der Villa Dorothea in Heringsdorf

Beim Ren­ovieren ent­deckt: die ursprüngliche Wandbe­malung © zweiküsten/jes

Als wir dort, wo früher die Veran­da war, alle Schicht­en abgesch­abt hat­ten, kam darunter plöt­zlich die ursprüngliche Wandbe­malung ans Licht. In blau, rot und grün. Wir staunten nicht schlecht. Die drei Far­ben, die wir uns aus­ge­sucht hat­ten, waren schon im Haus! Was diese Ent­deck­ung aber auch zeigte: Je länger du dich mit einem Haus ver­bun­den fühlst, desto genauer gibt es dir seine Informationen.

Seit den 1950er-Jahren ist die Vil­la im Fam­i­lienbe­sitz: Meine Schwiegermut­ter hat­te damals im Lot­to gewon­nen und von dem ganzen Geld dieses schöne Haus gekauft. Der Lot­to­gewinn war mehr als Glück, es war aus­gle­ichende Gerechtigkeit: Erst 1953 wurde die Pen­sion der Fam­i­lie, das Haus „Ingelotte“ in Bansin, ver­staatlicht – in jen­er frag­würdi­gen „Aktion Rose“, in der unschuldigen Hotelbe­sitzern krim­inelle Straftat­en unter­stellt wur­den, um an ihren Besitz zu kommen.

Auße­nan­sicht der Vil­la Dorothea © villa-dorothea.de

Allerd­ings soll­ten meine Schwiegerel­tern nie in der Vil­la wohnen. Die sozial­is­tis­che Woh­nungsver­wal­tung gab vor, wie groß eine Woh­nung für drei Per­so­n­en max­i­mal sein durfte, und die Eta­gen im Haus waren mit ihren 120 qm nach DDR-Stan­dard viel zu groß. Also zogen andere Mieter ein – über Jahrzehnte war die Vil­la ein reines Mietshaus.

Meine Schwiegerel­tern wohn­ten im Anbau und fungierten als Haus­meis­ter. Dort war dann auch Platz für ein paar Pen­sion­sz­im­mer, die zu DDR-Zeit­en illus­tre Gäste beherbergten. So wohn­ten hier etwa Gojko Mitic, die ost­deutsche Antwort auf Pierre Brice, oder der Schaus­piel­er Fred Del­mare, der eigentlich Wern­er Vorn­dran hieß und sich bei seinem Kün­stler­na­men von sein­er Liebe zum Meer inspiri­eren ließ.

Blick in den blauen Salon der Villa Dorothea in Heringsdorf

Blick in den blauen Salon der Vil­la Dorothea © zweiküsten/jes

Ich bin in Gör­litz geboren, im Erzge­birge zur Schule gegan­gen und kaum war ich zehn Jahre alt, da wusste ich: Ich will am Meer leben. Weil ich drei, vier Mal zuvor in Binz war. Viele Jahre später, ich studierte damals in Berlin, war mein Vater zur Kur in Her­ings­dorf und ich besuchte ihn. Wir saßen in einem Restau­rant und als mein Vater zu sein­er Anwen­dung auf­brechen musste, betrat­en zwei attrak­tive Män­ner das Lokal. Der eine fiel allerd­ings direkt bei mir durch, weil er ein rosarotes Hemd trug, das war damals ziem­lich uncool. Mit dem anderen Mann bin ich heute seit 37 Jahren verheiratet.

Christine Zimpel Villa Dorothea Heringsdorf Usedom

Haush­er­rin mit Haushund © Vil­la Dorothea

Ich hat­te ver­schiedene Jobs auf der Insel, so war ich lange Jahre Direk­torin des kle­in­sten Zoos der DDR, dem Tropen­haus in Bansin. Mein Mann führte das Fuhrun­ternehmen sein­er Eltern weit­er. Zu Beginn der 1990er-Jahre zogen wir mit unseren bei­den Töchtern in die untere Etage der Vil­la Dorothea in Her­ings­dorf. Als einige Jahre später die Mieter der oberen Etage aus­zo­gen, schmis­sen wir dort am 18. Geburt­stag mein­er Tochter eine große Par­ty. Wir hat­ten viel zu feiern: Unsere Tochter war volljährig und wir hat­ten endlich das Haus für uns und kon­nten planen.

Wir über­legten lange, was wir mit der unteren Etage machen soll­ten. Eine Recht­san­walt­skan­zlei? Ein Zah­narzt? Doch uns war schnell klar, dass diese schö­nen Räume viele Leute sehen und erleben müssten. Also beschlossen wir, Früh­stücks- und Sem­i­nar­räume einzuricht­en. Das fehlte auch noch: Sechs Pen­sion­sz­im­mer hat­ten wir zu der Zeit ja schon. Jet­zt soll­ten unsere Gäste einen Raum zum Früh­stück­en bekommen.

Das Haus Hedwig in Heringsdorf

Das Haus Hed­wig in der Auße­nan­sicht © zweiküsten/jes

Im Jahr 1999 kauften wir das Haus Hed­wig, ein hüb­sches kleines Wohn­haus, erbaut 1879, keine zwei Gehminuten von der Vil­la Dorothea ent­fer­nt. Wir baut­en um, legten die ursprünglichen Die­len frei, behiel­ten die his­torischen Fen­ster- und Türele­mente und richteten vier Apart­ments mit Groß­ma­mas Möbeln ein. Heute bewirtschaften wir ins­ge­samt 14 Zim­mer und Apart­ments. Zwar haben die Gäste im Haus Hed­wig jew­eils eine voll aus­ges­tat­tete Küche. Doch manche kom­men trotz­dem herüber in die Vil­la Dorothea – um den Raum zu genießen, ein Buch zu lesen.

Der Erbauer der Vil­la (zweit­er von links) mit seinem Sohn (rechts) und Fre­un­den der Fam­i­lie © villa-dorothea.de

Die Vil­la Dorothea wurde um 1900 von Maler­meis­ter Max Arndt erbaut. Auf diesem Bild sieht man ihn mit seinem Sohn am Strand von Her­ings­dorf. Dass ich dieses Bild über­haupt habe, ist ein kleines Wun­der. Und ein­er Zufalls­bekan­ntschaft zu ver­danken. Eine ältere Dame aus Wien kam immer in den Som­mer­monat­en auf die Insel. Wir fre­un­de­ten uns an, ich half ihr bei den Einkäufen. Und sie erzählte mir aus ihrem Leben. Wie ihr Vater den ersten Postkarten­ver­lag in Wien gegrün­det hat­te. Wie die Fam­i­lie die Som­mer in Her­ings­dorf ver­brachte. Wie die jüdis­che Fam­i­lie im Krieg in die Staat­en emi­gri­eren musste. Wie aus ihrem Brud­er ein Nobel­preisträger wurde. Ich hing an ihren Lippen.

Frühstücksbüfett in der Villa Dorothea in Heringsdorf

Früh­stücks­büfett in der Vil­la Dorothea © zweiküsten/jes

Eines Tages, da kan­nten wir uns bere­its drei Som­mer lang, fragte sie mich, wo ich denn eigentlich wohnen würde. „Ach,“ rief sie dann aus, „das ist doch das Arnd­sche Haus! Soll ich ihnen mal was ver­rat­en? Das war der beste Fre­und meines Vaters!“ Dann kramte sie in ihrer kleinen Lack­led­er­tasche, die von außen ganz kaputt war, drin­nen aber Platz für ihr ganzes Leben bot. Ständig förderte sie daraus „Beweis­stücke“ her­aus, die ihre Erzäh­lun­gen stützten. Jet­zt holte sie dieses Foto her­aus, tippte auf das dunkel­haarige Mäd­chen am Bil­drand und den Jun­gen: Das bin ich mit meinem Brud­er. Die alte Dame trug dieses Foto immer bei sich.

Gartenzwerg in der Villa Dorothea in Heringsdorf

Wem ähnelt dieser Garten­zw­erg? © zweiküsten/jes

Nicht nur das Foto erin­nert an den Häuser­bauer. Auch dieser Garten­zw­erg. Denn der wurde einst nach dem Kon­ter­fei von Max Arndt gefer­tigt. Viele Jahre lag der da, wo er hinge­hört, im Garten – unbeachtet und über die Jahre immer mehr ver­dreckt. Unsere Tochter, die gel­ernte Restau­ra­torin ist, hat sich sein­er eines Tages angenom­men und dafür gesorgt, dass das alte, charak­ter­volle Garten­zw­erg­gesicht wieder sicht­bar wird. Er liegt nun hier im Fen­ster­brett, vor Wind und Wet­ter geschützt. Einige Gäste behaupten nun allerd­ings, dass mein Mann dem Zwerg immer ähn­lich­er wird.“

Pro­tokol­liert von jes.

Bew­er­tungsta­belle
7.5Empfehlenswert!
Nähe zum Meer9
Gut für Lütte6
Zweisamkeit9
Entspan­nt für Sin­gles9
Stil­sich­er8.5
Run­terkomm­fak­tor9
Schön in jed­er Sai­son6
Früh­stück9
Gartenglück6
Well­ness3