Aufgeräumtes Inneres

Aldi setzt die Sprotte in Szene – und erinnert uns an glückliche Kindheitstage. Ein bisschen.

Wenn die Fam­i­lie im Ost­seeurlaub an der Fis­chbude bestellte, war die Sache klar: Sprot­ten soll­ten es sein. Mit denen ver­band mich zum einen das Schick­sal, die Kle­in­ste zu sein in der Fam­i­lie. Außer­dem gab es immer gle­ich eine Hand­voll davon (von ein­er Sprotte allein wird man ja nicht satt). Und mehr auf dem Teller zu haben als die Größeren, war in jen­em Alter aus irgendwelchen Grün­den sehr wichtig.

Doch kaum lagen die toten Fis­che verzehrbere­it auf dem Teller, wollte ich sie nicht mehr. Was ich in den lan­gen Monat­en zwis­chen den Ferien näm­lich vergessen hat­te: Die Sprotte wird sowohl mit den Gräten als auch mit allem Inneren verzehrt. Das kostet Über­win­dung. Und dann? Die Gräten knirschen zwis­chen den Zäh­nen. Der Fisch schmeckt bit­ter. Und der Kopf kann nicht aufhören daran zu denken, was man da eigentlich im Mund hat. Älter und klüger gewor­den kam die Sprotte nicht mehr auf den Tisch.

Und jet­zt liegt sie da plöt­zlich in der Dose im Super­markt und glub­scht mich durch den trans­par­enten Deck­el von der Seite her an. Natür­lich lan­det die Dose im Einkauf­swa­gen. Wann ver­rät eine Fis­chbüchse schon mal, wie es in ihr wirk­lich aussieht? Und hat so ein aufgeräumtes Inneres in Zeit­en, wo die Welt chao­tisch und undurch­schaubar gewor­den ist, nicht noch mal eine beson­dere Anziehungskraft? Über­haupt: So eine schöne Fis­ch­dose hat man ja noch nie gesehen.

Daheim wider­ste­he ich kurz der Ver­suchung, das Ding so wie es ist an die Wand zu nageln und ziehe die Lasche, die den Deck­el öffnet. Der Geruch von Öl strömt mir ent­ge­gen. Das Öl bes­timmt auch den Geschmack, scheint die Gräten aufgelöst zu haben und alle Bit­terkeit ver­schwinden lassen – und damit auch noch die winzig­ste Erin­nerung an die Sprotte aus Kinderta­gen. Das ist im Prinzip natür­lich in Ord­nung. Aber die näch­ste Dose lan­det vielle­icht doch eher an der Wand.

jes.

Die Sprot­ten­dose gibt es für 1,29 bei Aldi Nord.

Das Küstenzitat

„Manch einer mochte glauben, dass die Krater des Grand Canyons oder die Reisfelder Vietnams das Nonplusultra waren. Aber als jemand, der wirklich viel gesehen hatte, auf fast jedem Kontinent gewesen war, überfüttert von außergewöhnlichen Eindrücken, konnte Fanny guten Gewissens behaupten: Nirgendwo war es so schön wie in ihrer Heimat. Die hohen Dünen an der Ostsee. Weiße, breite Strände und grüne, flache Felder.
Der gelbblühende Raps im Frühling. Die unzähligen Seen, deren Wasser wie eine Handvoll Diamanten glitzerte. Selbst im tiefsten, kältesten Winter, wenn einem der eisige Wind vom Meer in die Haut schnitt und das Gesicht taub werden ließ, wenn Eisschollen einsam auf der Ostsee trieben, konnte sie der Landschaft ihrer Heimat noch etwas abgewinnen.“

S. 38

Über Stralsund

Nach Stralsund kommt jeder, der nach Rügen will und nicht auf dem Seeweg anreist. „Tor nach Rügen“ wird die Stadt auch genannt – wer hier allerdings nur durchfährt, verpasst einiges: vor allem eine hübsche Altstadt, die mit ihren Zeugnissen der Backsteingotik seit 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, sowie das Meeresmuseum mit dem Ozeaneum, das 2010 – zwei Jahre nach der Eröffnung – zum Europäischen Museum des Jahres gewählt wurde und heute das meistbesuchte Museum Norddeutschlands ist.
 

Unser Tipp für Stralsund

Kein Segelschein, aber Lust auf einen Segeltörn? In Stralsund kann man ganz unkompliziert auf einer Yacht mitsegeln. Abends in den Sonnenuntergang hinein (20 Euro pro Person), einen Tag lang Richtung Hiddensee (69 Euro pro Person) oder in mehreren Tagen rund um Rügen (350 Euro pro Person). Weitere Tripps und Infos gibt es hier. (Link www.stralsundtourismus.de/de/eine-stadt-am-wasser/mitsegeln).