Es muss nicht immer Island sein: Polarlichter auf Rügen

Polarlichter – wie Anfang der Woche vielerorts in Norddeutschland gesichtet – sind an der Küste nichts Neues. Maik Kiehl fängt sie seit Jahren mit seiner Fotokamera ein. Zugegeben: Meistens kann sie nur der Sensor seiner Spiegelreflexkamera sehen, nicht das Auge. Ein Gespräch über ein so flüchtiges wie faszinierendes Phänomen – und eine schlafraubende Leidenschaft.

ZWEIKÜSTEN: Polar­lichter in Deutsch­land – das klang bish­er ziem­lich unglaubwürdig…

Maik Kiehl: Ich habe auch erst­mal geguckt, als eine befre­un­dete Fotografin vor ein paar Jahren erwäh­nte, dass sie nachts Polar­lichter fotografieren wollte. Bis dahin wusste ich nicht, dass man die auf Rügen, wo ich lebe und groß gewor­den bin, tat­säch­lich sehen kann.

Kon­nte man sie denn vor dem Polar­licht­spekakel der let­zten Tage auch schon gut sehen?

In den let­zten Jahren kam es tat­säch­lich auch schon vor, dass man die Beam­er qua­si über dem Wass­er tanzen sah. Das ist dann bei einem geo­mag­netis­chen Sturm der Kat­e­gorien G2 bis G3 der Fall und gar nicht mal so sel­ten. Hat man das ein­mal erlebt, ist man regel­recht geflasht und direkt verliebt.

Und zieht danach so wie Du ver­mut­lich immer gle­ich los, wenn es die Chance gibt, das noch mal zu erleben…

Ich kann das zum Glück mit mein­er Arbeit gut verbinden. Ich arbeite in Binz als Koch in der Gas­tronomie. Wenn die Schicht spät abends zu Ende ist, kann ich mich zum Polar­licht auf­machen – und am näch­sten Mor­gen muss ich auch nicht gle­ich früh raus.

Was ist so faszinierend am Polarlicht?

Hat man das Glück, ein deut­lich visuelles Polar­licht zu erleben, denkt man am Anfang, das kann gar nicht sein. Senkrechte Strahlen, die so genan­nten Beam­er, ste­hen am Him­mel und bewe­gen sich leicht. Man glaubt, Hal­luz­i­na­tio­nen zu haben oder sog­ar ver­rückt gewor­den zu sein. In unseren Bre­it­en ist man auf so etwas, anders als in Skan­di­navien, ja gar nicht vor­bere­it­et. Far­big sind die Polar­lichter übri­gens sel­ten, son­dern eher grau oder weiß. Manch­mal, das habe ich auch schon gese­hen, gibt es einen grün­lichen oder rötlichen Schimmer.

Wie entste­hen Polar­lichter eigentlich?

Aus den Son­nen­fleck­en auf der Sonne wer­den mit­tels Sonnenerup­tio­nen Par­tikel ins All geschleud­ert. Tre­f­fen diese Par­tikel auf das Erd­mag­net­feld, brin­gen sie an den Polen Luft­moleküle zum Leucht­en. Übri­gens kann man so auch Polar­lichter vorher­sagen: Wenn sich die Son­nen­fleck­en, die koronalen Löch­er, erdgerichtet drehen, kann man sich­er sein, dass es drei, vier Tage später Polar­lichter zu sehen gibt.

Nun hat man nicht immer die Sonne im Blick. Geht die Polar­lichtvorher­sage nicht auch einfacher?

Ja natür­lich. Ich benutze zum Beispiel die App Auro­ra fore­cast­er, die Polar­lichter vorher­sagt. Doch sich­er ist das nicht. Manch­mal wur­den Polar­lichter vorherge­sagt, aber ich hab nichts gesehen.

Oft sind die Polar­lichter, die man in Deutsch­land sehen kann, ohne­hin mit dem bloßen Auge gar nicht zu erkennen.

Man unter­schei­det drei Stufen. „Deut­lich visuell“ wie oben beschrieben. Dann „visuell“, wobei man das Polar­licht am Hor­i­zont deut­lich flack­ern sehen kann. Und „fotografisch“ – das heißt: Das Auge sieht nicht wirk­lich etwas, dafür aber die Kamera.

Woran erken­nt man bei einem „fotografis­chen“ Polar­licht, ob man die Kam­era auf­bauen soll?

Man muss etwas Ahnung haben. Wenn es im Nor­den ungewöhn­lich hell ist am Hor­i­zont, kann es sich um Polar­lichter handeln.

Was für eine Kam­era braucht man für die Polarlichtfotografie?

Es reicht im Prinzip eine ein­fach Kam­era – sofern sie eine lange Belich­tungszeit ermöglicht und man den ISO-Wert manuell ein­stellen kann. Ein Weitwinkelob­jek­tiv wäre gut, ein Sta­tiv ist Pflicht.

Was für Ein­stel­lun­gen wählt man?

Ich nehme eine sehr offene Blende 2.8, Iso 3200, Belich­tung 20 Sekunden.

Nicht nur die Kam­era sieht Polar­lichter bess­er, das Bild­bear­beitung­spro­gramm holt auch noch mal einiges raus. Was gibt es hier zu beachten?

Ich stelle meis­tens die Schärfe etwas nach und ziehe die Hel­ligkeit nach oben. Ich nehme das Rauschver­hal­ten raus, hebe den Kon­trast an und auch der Weißab­gle­ich ist wichtig.

Wie oft wird für die Region Rügen Polar­licht vorhergesagt?

Das kommt auf die Aktiv­ität der Sonne an. In der Polar­licht­sai­son von Ende August/Anfang Sep­tem­ber bis Ende April/Anfang Mai vielle­icht ein zweimal im Monat, wenn das Wet­ter mitspielt.

Was für ein Wet­ter ist ideal?

Der Him­mel sollte klar sein, ein zwei Wolken stören nicht, doch wenn es teil­weise bewölkt ist, kann man schon ein­pack­en. Wenn der Him­mel klar ist, kommt es allerd­ings auch zu Feuchtigkeit, heißt: das Objek­tiv beschlägt. Am besten ist es daher im Win­ter, wenn es richtig knack­ig kalt ist.

Und wo fährt man dann am besten hin?

An Orte mit ganz dun­klem Hin­ter­grund. Es dür­fen keine Lichter zu sehen sein, also keine Städte, keine Leucht­türme, rein gar nichts. Auf Rügen empfehle ich Kap Arkona, Lohme, Glowe oder Mar­tin­shafen bei Sagard. Binz ist nicht geeignet, weil der Hafen und die Werft in Mukran zu viel Licht abgeben, das über­strahlt alles.

Voll­mond ist sich­er auch nicht gut?

Nein. Am besten sind Neu­mond oder gar kein Mond.

Wenn Wet­ter, Vorher­sage, Mond, Kam­era und Ort stim­men – was braucht man noch?

Glück. Es heißt ja nicht „Polar­licht guck­en“. Nicht umson­st spricht man vom „Polar­licht jagen“.

Die Polar­licht-Fotos von Maik Kiehl sind hier im Inter­net zu bestaunen.

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